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Das Fest der deutschen Traube und des Weines. Ein historischer "Guest Ramble" von Peter Jakob

This is our most unusual Guest Ramble so far - wine blogger and historian Peter Jakob, aka MarcoDatini, looks into the Nazi invention of German wine culture through the history of the Festival of German Grape and Wine. You can read the English version or have a look at the German original below.

Das Fest der deutschen Traube und des Weines. Von Peter Jakob

Fragt man heute Menschen, die die Jahre des Dritten Reichs als Jugendliche oder junge Erwachsene erlebt haben, nach dem Fest der deutschen Traube und des Weines, werden sich diese meist nach kurzem Überlegen daran lebhaft erinnern. Aus heutiger Sicht scheint dies zunächst überraschend, gehören doch Weinfeste jeglicher Art mittlerweile zum festen Programm des Veranstaltungskalenders vieler Weindörfer und auch der meisten größeren Städte. Heutzutage mag ein Weinfest in einem Winzerort noch beeindrucken, die Feste in den Großstädten beeindrucken in keiner Weise und werden nicht lange in Erinnerung bleiben. Doch scheint dies in den 30er Jahren anders gewesen zu sein.

Festival poster, Stadtarchiv Herne
Festival poster, Stadtarchiv Herne

Neuere Untersuchungen zur Geschichte von Weinfesten zeigen, dass diese kein Bestandteil der traditionellen Festkalender sind - im Gegensatz zum Beispiel zu Erntefesten. Im späten 19. Jahrhundert entstanden die ersten Feste dieser Art, aber mehr als eine Hand voll waren es nicht. Erst in den 50er Jahren, also in den Jahren der frühen Bundesrepublik, etablierten sich solche Festivitäten und dienten als touristische Attraktion und Beschleuniger des Weinverkaufs. Doch handelt es sich hierbei um Weinfeste, die in den jeweiligen Weinbauregionen veranstaltet werden und sie unterscheiden sich somit vom Fest der deutschen Traube und des Weines. Was war dies also für ein Fest? (zu diesem Komplex siehe auch Herbert Schwedt: Wein und Festkultur im 20. Jahrhundert.)

Bevor ich mich dem Fest an sich zuwende, muss ein kurzer Blick auf die Situation der Winzer in Deutschland während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geworfen werden. Während deutsche Rieslinge von Spitzenerzeugern im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu den beliebtesten und teuersten Gewächsen gehörten und es auch der breiten Winzerschaft ökonomisch recht gut ging, änderte sich die Situation bald schlagartig.

Speyer, Rheinische Winzer in ihren Tracht, 1930.
Speyer, Rheinische Winzer in ihren Tracht, 1930.

Mit dem Ersten Weltkrieg brachen Absatzmärkte auch langfristig weg. Unter den Millionen von Toten, die dieser Krieg forderte, fanden sich ganze Winzerfamilien. Während des Krieges lagen die Weinberge brach, nach dem Krieg fehlten häufig die Männer - tot oder verkrüppelt - um den Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen. In den frühen 20er Jahren sorgte die Hyperinflation für unbeschreibliche ökonomische Probleme, in den Jahren danach litten die Winzer unter einer massiven Verschuldung. Dies führte 1926 an der Mosel zu den einzigen überlieferten Winzerprotesten in Deutschland.

Mit der seit 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise verschärfte sich die Situation. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten änderten sich dann die Rahmenbedingungen. Wichtiger Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war das sogenannte Bauerntum und dies fand sich auch in der Politik wieder. Die Landwirtschaft wurde gleichgeschaltet, die mächtigste Organisation war der sogenannte Reichsnährstand (RNS). Es wurde Bauernführer in allen Ebenen eingesetzt, von regionalen bis hin zum Reichsbauernführer. Für einen Überblick zu diesem Thema empfiehlt sich ein Blick in "Ökonomie der Zerstörung" von Adam Tooze.

Reichsnährstand
Reichsnährstand

1934 war für die deutsche Landwirtschaft ein Katastrophenjahr, nur der Weinbau profitierte auf eine eigenwillige Art von den Witterungen des Jahres. Statt der durchschnittlich 220 Millionen Liter Wein erzeugten die Winzer in diesem Jahr mehr als das Doppelte, nämlich rund 470 Millionen Liter. Diese massive Überproduktion führte aber schnell zu Problemen. Da es keinen ausreichenden Absatz gab, waren die Keller der Winzer noch 1935 völlig überfüllt - Grund zu Sorge, wie sollte man den Jahrgang 1935 in die Keller bekommen?

Hier setzte die nationalsozialistische Organisations- und Propagandamaschinerie ein. Um die Probleme zu beheben, entstand der Plan einer reichsweiten Kampagne für die Steigerung des Absatzes von deutschem Wein. Unter der Leitung des RNS, in Kooperation mit diversen NS-Organisationen wie der Deutschen Arbeitsfront, der NSG "Kraft durch Freude", den Gaupropagandaleitungen und den Gauwirtschaftsberatern, den Gemeindetagen u.a., wurde vom Reichsministerium für Propaganda und Volksaufklärung das einwöchige Fest der deutschen Traube und des Weines ausgerufen. Ziel war es, dem Volk den Konsum von Wein nahezubringen und den Winzern zu helfen in einer Großaktion die Überschüsse abzubauen. Daneben wurde auch der Konsum Schaumwein und Speisetrauben gefördert.

Das Fest war eine völlig Neuerung und eine reine Konstruktion. Um es entsprechend der NS-Ideologie vermarkten zu können, schufen die Nationalsozialisten ein Brauchtum, wo eigentlich keines war. Die Feste sollten eine Rheinromantik widerspiegeln, geprägt von Reben, lokaler Kultur diverser Weinregionen und einem Bild der deutschen Weinkultur, die eher aus den Vorstellungen der Romantik und der Genremalerei des 19. Jahrhunderts stammten, als dass sie eine Verwurzelung in der Realität hätten. Wie sah nun solch ein Fest aus und wie war es organisiert?

Die Grundlage bildeten Weinpatenschaften von Städten des Reiches mit Weinbauorten. Kleinere Städte übernahmen die Patenschaft von ein oder zwei Orten, größere mit mehreren. So übernahm beispielsweise Berlin die Patenschaft für Mehring, Zeltingen, Winkel, Oppenheim, Hambach Duchroth und die Stadt Dortmund die Patenschaft für Pommern, Mertesdorf, Bodenheim, Weisenheim-Sand. Neben diversen Aktionen in der lokalen Gastronomie und durch regionale Vereine, waren zentrale Veranstaltungen in den Städten vorgesehen. So sah der Plan für das Patenfest in Berlin diverse Programmpunkte vor:

  1. Festkonzert,
  2. Allgemeiner Tanz,
  3. kurze Begrüssung durch einen Festredner,
  4. Vorstellung und Vorführung der Moselaner,
  5. Auftreten bedeutender Künstler,
  6. artistische Nummern,
  7. Tombola (Verteilung von Gutscheinen auf Wein, die aber erst beim Verlassen des Lokals verabfolgt werden).

Das Fest war von Seiten des Reichsnährstandes streng reglementiert. Die Preise der auszuschenkenden Weine waren festgelegt. Von einer massiven Propagandakampagne, die sämtliche Medien der Zeit nutzte, bis hin zu dem zu verwendenden Fensterschmuck wurde alles vorgegeben. Kurz gesagt, dass Fest war reichsweit vollends durch reglementiert.

Kaum überraschend beinhaltete das Reglement für das Fest auch einen "Arierparagraphen". Die teilnehmenden Weinhandlungen, die den Festwein vertrieben, mussten nachweisen, dass sämtliche Mitarbeiter "arischen Blutes" waren. Der Antisemitismus war somit - wenn auch für die Öffentlichkeit eher versteckt - fester Bestandteil des Festes der deutschen Traube und des Weins. Aber nicht nur dieser Aspekt der NS-Ideologie findet sich wieder, auch die ideologischen Untermauerungen sind typisch für die frühen Jahre des NS. Ganz den sozialrevolutionären Ideen der NSDAP verschrieben und doch in deutlicher Abgrenzung zur Linken, betonte der Gauwirtschaftsberater des Gaus Koblenz-Trier, dass die Einstellung "Wein sei ein Bonzengetränk", eine marxistische Auffassung sei. Der Winzer sei das "stärkste Bollwerk des Deutschtums". Hier findet sich die Idee der Volksgemeinschaft als auch das "Blut und Boden"-Denken der Agrarier innerhalb der NSDAP wieder.

Reichsbauernführer Walter Darré 1937. Foto http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-H1215-503-009,_Walther_Darr%C3%A9_bei_einer_Kundgebung.jpg Bundesarchiv, Lizenz CC BY-SA 3.0
Reichsbauernführer Walter Darré 1937. Foto http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-H1215-503-009,_… Bundesarchiv, Lizenz CC BY-SA 3.0

Auch die Forderung des Gauwirtschaftsberaters an die "Beamten und Festangestellten mittleren und höheren Einkommens" sich Privatkeller aufzubauen und "diesen Keller mit deutschen Weinen" zu bestücken, ist argumentativ der Volksgemeinschaftsideologie verpflichtet. Ähnlich wird auch in der grundsätzlichen Begründung des Festes argumentiert. Es gehe nicht um rein materielle Gründe, "sondern um die grosse Not des deutschen Winzerstandes - unserer Volksgenossen in der westlichen Grenzmark - zu lindern." Dies sei - hier wieder typisch für die Sprache des Nationalsozialismus - "Sozialismus der Tat". Das Fest solle die deutsche "Volks- und Schicksalsgemeinschaft" zusammenschweißen.

Das Fest von 1935 war ein großer Erfolg und wurde 1936 wiederholt. Da das Jahr 1936 keine Rekordernte wie in den Jahren davor ergab, wurde 1937 das Fest auf die Dauer von zwei Tagen reduziert. Im Jahre 1938 setzte das Fest aus, da die Erträge nicht ausreichend waren und somit auch die Veranstaltung obsolet wurde. Schon früh setzten die Planungen für 1939 ein, doch das Fest fand nicht mehr statt, denn der Zweite Weltkrieg war bereits abzusehen.

Interessant ist die Frage, ob oder inwieweit das "Fest der deutschen Traube und des Weines" Auswirkungen auf die Weinkultur der Bundesrepublik Deutschland hatte. In den 50er Jahren und auch in den folgenden Jahrzehnten entstanden fast sämtliche Weinfeste. Stand hier die Idee des Festes der deutschen Traube und des Weins - ideologisch bereinigt aber an der Ästhetik anknüpfend - Pate, um auch in der Bundesrepublik den Konsum von Wein zu befördern?

Weinfest, Umzug, ca. 1960
Weinfest, Umzug, ca. 1960

Mein Dank gilt dem Stadtarchiv Herne, dass mir freundlicher Weise das Bild für diesen Artikel zur Verfügung stellte, sowie dem Stadtarchiv Lünen, in dessen Beständen sich umfangreiche Akten zum Fest der deutschen Traube und des Weines befinden.

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